Zugegeben, eine steile Behauptung, selbst zur Weihnachtszeit.
Dennoch. Sieht man einmal genauer hin, gibt es doch mehr Parallelen zwischen uns und den Nadelhölzern, als offensichtlich:
Menschen, wie auch auch Tannen (und natürlich andere Bäume) brauchen gesunde, kräftige Wurzel
Kennen Sie die beklagenswerten Weihnachtsbaum-Exemplare aus dem Baumarkt? Oben proper und grün, aber spätestens wenn man versucht, den Baum, der sich kurzfristig so tapfer geschlagen hat, nach dem Weihnachtsfest auszuwildern, scheitert dies an den gestutzten Wurzeln. Vielleicht hat er draussen noch ein paar Wochen, aber früher oder später fehlt ihm die Lebensenergie und der Baum gibt auf.
Das ist bei uns Menschen durchaus ähnlich. Einige Jahre können wir uns von unserer Familie, „unseren Wurzeln“ abwenden, vielleicht sogar Energie daraus beziehen, diese (vermeintlich) nicht zu brauchen. Doch irgendwann kommt die Zeit, wo uns die Lebensenergie, die wir von unseren Ahnen bekommen können, fehlt. Der Ahnenkult anderer Kulturen und Epochen ist unserer Gesellschaft fremd geworden. Dabei hilft es auch uns – wie einer kleinen Tanne – wenn wir unsere starken Wurzeln und Halt aus Generationen von Vorfahren spüren.
Gemeinsam geht es besser
Während für uns Menschen erst Bücher wie „Prinzip Menschlichkeit“ geschrieben werden mussten, um auch den größten Eigenbrötlern den Wert der Gemeinschaft bewußt zu machen, ist dies für Tannen ein alter Hut. Oberirdisch kann man sich z.B. wunderbar an Nachbarbäumen abstützen. Würde sich ein Baum nur um sich selbst scheren, würden viele Exemplare früh sterben. „Ein Wald hat kein Interesse daran, schwächere Mitgleider zu verlieren. Dann entständen bloß Lücken, die das empfindliche Kleinklima mit seinem Dämmerlicht und der hohen Luftfeuchtigkeit stören würden“ schreibt Peter Wohlleben in seinem Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“.
Unterirdisch wird über die Wurzeln oder das (worldwide) Pilznetz kommuniziert, um sich bspw. bei Schädlingsbefall gegenseitig zu informieren. Das sogenannte Netzwerken lebten Bäume schon lange bevor man uns vor 10 Jahren riet „Never eat alone“. Auch hier ist unsere Tanne (ebenso wie andere Arten) also ein womöglich verkannter Trendsetter.
Es gibt Zeiten des Wachstums und Zeiten der Ruhe. Alles hat seine Zeit.
Viele Menschen klagen derzeit über Müdigkeit. Dabei geht es ihnen in etwa so, wie einer Tanne in unseren Breiten, die man ab November düngt. Sie gerät aus dem Gleichgewicht. Denn der Winter ist die Zeit der Ruhe, der Dunkelheit und Reife. Keine Tanne käme auf die Idee, im Dezember noch mal ein paar Zentimeter zuzulegen oder gar Pollen auszustäuben. Wir hingegen sprechen von der „Jahresendrallye“ und versuchen unsere Lebensgeister mit viel Aufwand und oft unter Zuhilfenahme von Tabletten in Schwung zu halten, als gäbe es kein Morgen. Dabei brauchen wir, wie die meisten anderen Lebewesen viel Schlaf und Ruhe in dieser Zeit. Nehmen wir uns die kluge Tanne zum Vorbild!
Ein gesunder Baum strahlt. Ein Mensch ebenso.
Weder unser Weihnachtsbaum noch der Mensch ist symmetrisch. Und auch die Rinde, das Äußere, verändert sich im Laufe des Baumlebens. Junge Zweige haben keine Furchen, ältere hingegen durchaus und manchmal auch die eine oder andere Narbe. Im Fall des Weihnachtsbaums drehen wir die schönste Seite nach vorne und tolerieren milde die kleinen Ungereimtheiten. Lenken wir doch bewußt einmal unsere Aufmerksamkeit auf die Schokoladenseiten unserer Mitmenschen und auch auf unsere eigenen, wie der Weihnchstbaum es uns empfiehlt. Und wie auch uns Menschen, steht dem Baum gerade in der dunklen Jahreszeit ein wenig Schmuck und Glitzer. Sich schmücken heißt immer auch, das Leben feiern.
Hölzerne Ziele und Visionen
Einem Tannenbaum ist klar, wohin er wächst: The sky is the limit. Dafür nimmt er schon mal einen Umweg in Kauf, verbiegt im Notfall seine Spitze, die dann aber unbeirrt weiter himmelwärts strebt.
Wohin strebst Du? Wohin streben Sie? Und wofür? Nun sind Bäume, nicht nur Weihnachtsbäume, wortkarge Gesellen. Würden wir ihnen diese Fragen stellen und sie uns antworten, würden sie uns vermutlich verblüfft ansehen und soetwas brummeln wie: „Das ist doch völlig klar. Jeder Baum weiß, wohin er wachsen will. Und wofür? Um ein guter Baum zu sein.“
Wenn Sie mögen, nutzen Sie die Weihnachtszeit, um sich von dem hölzernen Sinnbild in Ihrem Wohnzimmer oder vor Ihrem Fenster inspirieren zu lassen und zu prüfen, ob sich auch in Ihnen ein kleiner Weihnachtsbaum versteckt hat. Womöglich finden Sie auch noch weitere Parallelen…
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen frohe Weihnachten.
Corinna Lütsch & Carsten Schaeffer