Schuld oder nicht Schuld?

Kürzlich wurde ich Zeugin eines Autounfalls mit kleinem Blechschaden. Als Zeugin erhielt ich einen Fragebogen einer Versicherung zur Klärung der Schuldfrage.

Was ist eigentlich Schuld?

Ein theoretisches Konstrukt, das uns dennoch in unserem Denken und Handeln beeinflusst?

Laut Lexikon ist Schuld

a) der Umstand, dass jmd. für etwas Negatives verantwortlich ist oder

b) ein sittliches Versagen, eine moralische Verfehlung.

Mit Schuld umgehenSchuld

Im Alltag finde ich es in fast allen Fällen hilfreich, „Schuld“ durch „Verantwortung“ zu ersetzen. Im Falle des Autounfalls

ist das noch banal: Der „Schuldige“ ist der, der dafür verantwortlich war, dass es geknallt hat.

Wenn mir nun aber jemand sagt (oder suggeriert): „Du bist schuld, dass ich mich so schlecht fühle“, kann ich mich fragen, ob ich für seine/ihre Gefühle verantwortlich bin. Das bin ich im Regelfall nicht. „Wegen Ihnen habe ich hohen Blutdruck“ sagte mal eine Nachbarin, die sich an den Blättern in unserem Garten aufrieb und vermutlich versuchte, auf diesem Weg Schuldgefühle zu erzeugen. Bin ich für ihren Blutdruck verantwortlich? Ich denke, nein.

Wann immer mir das Wörtchen „Schuld“ in den Sinn kommt, ist das ein guter Prüfstein, um zu prüfen, wie die Lage in Sachen Verantwortung ist.

Ent-schuldigen?

Komme ich zu dem Schluss, dass tatsächlich die Verantwortung bei mir liegt, sagen wir, ich habe im engen Fahrstuhl jemandem auf den Fuß getreten, dann sollte ich mich – laut Umgangssprache – ent-schuldigen. Also zusehen, dass ich die Schuld schnell wieder los werde. Also sage ich „Entschuldigen Sie bitte“, was so viel heißt wie „Bitte entschulden Sie mich“. Ganz schön anmassend, oder? Erst trete ich jemandem auf den Fuß, dann soll er mich auch noch entschulden! Passender wäre da aus meiner Sicht „Oh, tut mir leid, das war nicht meine Absicht.“ Grundvoraussetzung: Es tut mir wirklich leid. Mein Gegenüber wird den Unterschied registrieren.

 

Schuldgefühle aufgrund vergangener Ereignisse

Stellen wir uns vor, Sie hatten eine Schulfreundin in Ihrer Heimatstadt. Nun leben Sie weit von ihr entfernt. Seit vielen Jahren hatten keinen Kontakt mehr, aber das Gefühl nagt in Ihnen, dass Sie sich bei ihr melden sollten. Dann erfahren Sie, dass die alte Freundin verstorben ist. „Ich hätte mich bei ihr melden sollen, sie wissen lassen, wie wichtig sie für mich als Kind war“. Vielleicht hätten Sie Schuldgefühle dieser Art, vielleicht keine, vielleicht andere.

In einer Situation, in der uns Schuldgefühle aufgrund vergangener Ereignisses plagen, können wir uns als erstes fragen, ob wir die Verantwortung trugen. Im beschriebenen Fall merken Sie vielleicht, dass Sie gefühlt die halbe Verantwortung trugen, denn auch die Freundin hätte sich bei Ihnen melden können.

Nagt das Schuldgefühl weiter, weil Sie gegen Ihre eigenen Werte verstossen haben, können Sie mit ihm folgendermaßen verfahren:

  1. Anerkennen was ist: Erkennen Sie Ihr Gefühl an, ohne es zu bewerten!
  2. Erlauben Sie Ihrem Gefühl aufzusteigen, ganz präsent zu sein.
  3. Lassen Sie das Gefühl los. Schenken Sie ihm keine große Aufmerksamkeit mehr. Achtung: Versuchen Sie nicht, es wegzuschieben!
  4. Lernen Sie daraus 🙂

Und noch etwas: Selbst wenn die Freundin quietschfidel wäre: Wiedergutmachen funktioniert nicht. Der Groll, die Wut, die Vorwürfe anderer lassen sich nicht abarbeiten. Weder mit Blumen, noch mit Geld. Auch hier gilt: Anerkennen was ist, dass ich nämlich beispielsweise jemanden verletzt habe. „Es tut mir leid“.

Sollten Ihnen die richtigen Worte fehlen, um ein klärendes Gespräch zu führen, dann sprechen Sie uns gerne an. Ein Coaching ist sehr gut geeignet, um ein Gespräch vorzubereiten, in dem es z.B. um ein Gefühl von Schuld geht oder um eigene Schuldgefühle zu bearbeiten.

 

Autorin: Corinna Lütsch

mentalenz.de