Es geht auch anders

Der Myers Briggs Typenindikator, kurz MBTI, einer der am häufigsten verwendeten Persönlichkeitstests, unterscheidet zwischen sinnlicher und intuitiver Wahrnehmung. „Sinnliche Wahrnehmung“ steht dabei für Wahrnehmung über die 5 Sinne (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken), während „intuitive Wahrnehmung“ für das steht, was man „aus dem Bauch heraus“ nennt.

Sinnlich wahrnehmende Menschen sind detailgetreue Beobachter im Hier und Jetzt, während intuitiv wahrnehmende Menschen das große Ganze sowie Zusammenhänge sehen und dabei oft Möglichkeiten in der Zukunft erkennen.

Egal ob Menschen zu der einen oder der anderen Gruppe gehören, sie neigen dazu, das zu interpretieren, was sie wahrnehmen. Oft ist die Interpretation ein nützlicher Mechanismus, denn sie hat den Vorteil, dass sie blitzschnell, geradezu unbewusst schnell, von statten geht. Das ist ein großer Vorteil, wenn sich uns, die wir gerade die Straße überqueren, plötzlich ein Auto mit hoher Geschwindigkeit nähert.

An anderer Stelle stehen wir uns mit Interpretationen jedoch selbst im Weg. Denn wer weiß schon genau, dass, Herr Müller, wenn er die Stirn über unserem eingereichten Forecast in Falten legt, wirklich immer sehr skeptisch ist? Vielleicht ist er manchmal einfach nur konzentriert?
Oder wir gehen davon aus, dass eine Firma, nur weil sie groß ist, wie z.B. Prokon, auch erfolgreich sein muss. Wohin das führen kann, entnehme man der Tagespresse…

Wenn wir interpretieren, ist es egal, ob wir eher über die 5 Sinne oder über die Intuition wahrnehmen: Aus dem Wahrgenommenen wird eine Auswahl getroffen, diese wird Interpretiert, daraus entstehen dann Gefühle und Emotionen und aus diesen resultieren wiederum (neue) Überzeugungen. Alles das passiert, bevor es zu einer Handlung angesichts des Wahrgenommenen kommt.

Dabei ist es oftmals wichtig, sich der persönlichen Datenauswahl und Interpretation bewusst zu werden. Sie als Vermutung zu durchschauen. Egal ob sie intuitiv oder auf Basis der Sinne stattfindet. Denn nur so können wir alternative Deutungsmöglichkeiten zulassen.

Die in Falten gelegte Stirn von Herrn Müller könnte ebenso bedeuten, dass er gerade mit einem anderen Thema beschäftigt ist oder dass er noch Informationen benötigt. Hier wäre eine Frage zur Klärung hilfreich und könnte unangenehmen Gefühlen, resultierend aus der Interpretation „Das sieht er wohl sehr skeptisch“ und daraus resultierenden Handlungen – „Ich werde vorsichtshalber weitere Daten nachliefern“ – vorbeugen.

Die gute Nachricht ist also, egal ob Sie bevorzugt über die Sinne oder „aus dem Bauch heraus“ wahrnehmen, ein „Typ“ hat es da nicht leichter als der andere.

Die schlechte Nachricht ist hingegen: Unbewusste Interpretation ist eine weit verbreitete Gewohnheit. Am besten Sie nehmen heute schon das Training auf und beginnen, sich bewusst zu machen, wann Sie wieder einmal interpretieren. Und unterbrechen Sie das Training kurzfristig, wenn sich Ihnen ein Auto/Tiger mit hoher Geschwindigkeit nähert!

Autorin: Corinna Lütsch